Wieso eine humanistisch-atheistische Ethik so wichtig ist, hat in Luxemburg vor nicht allzu langer Zeit und auf beeindruckende Art und Weise die Debatte um die Depenalisierung der aktiven Sterbehilfe gezeigt. Ausgetragen wurde der Konflikt zwischen der katholischen Kirche, der CSV, dem Luxemburger Wort, dem Großherzog, einigen konservativen Ärzten samt entsprechendem Dunstkreis einerseits, und dem Großteil der Gesellschaft anderseits.

Die Gegner der Sterbehilfe, allen voran die katholische Kirche, beriefen sich bei ihrer Argumentation auf das Evangelium Vitae von Papst Johannes Paul II, das über Sterbehilfe folgendermaßen urteilt: „Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck gestattet werden. Sie ist in der Tat ein schwerer Ungehorsam gegen das Sittengesetz, ja gegen Gott selber, seinen Urheber und Garanten; sie widerspricht den Grundtugenden der Gerechtigkeit und der Liebe.“ Wieso dem so sein soll, erfährt man jedoch nicht.

Die Kirche in Luxemburg argumentiert ebenfalls in diesem Sinne: „Als Geschenk Gottes ist das Leben der freien Verfügungsgewalt des Menschen entzogen“ (cathol.lu 18.12.07). Und weiter heißt es dort, alles menschliche Leben sei ein Geschenk Gottes, kein Produkt blind ablaufender Naturprozesse, sondern von Gott nach seinem Ebenbild erschaffen. Aus dieser Ebenbildlichkeit entspringe die menschliche Würde. In anderen Worten bedeutet dieser Verweis auf die Schöpfungslehre, die übrigens seit längerem wissenschaftlich widerlegt ist (siehe Evolution), dass die menschliche Würde zu schützen sei, um Gottes Schöpfung zu ehren, und nicht etwa den Bedürfnissen des Menschen wegen, wie es uns die Vernunft lehren würde.

Die Position der Kirche baut nicht auf dem Wesen und den Bedürfnissen des Menschen auf, sondern auf unbegründbaren religiösen Vorstellungen, in anderen Worten auf Phantasieerzeugnissen. In Fragen, die Leben und Sterben des Menschen betreffen, wäre es – und das ist unsere Überzeugung – wesentlich vernünftiger, auf eine Ethik zurück zu greifen, die auf dem gemeinsamen Wesen aller Menschen beruht und mit Vernunft fassbar ist. Es wäre wesentlich vernünftiger, unsere Werte und damit auch die Würde des Menschen aus der menschlichen Natur abzuleiten, daher aus unseren körperlichen wie geistigen Grundbedürfnissen, die, im Gegensatz zum Glauben an die Schöpfungsgeschichte, allen Menschen zugrunde liegen.

Die Eigenschaften der menschlichen Würde stehen nirgendwo von Gott eingemeißelt, sie werden vielmehr durch die Selbstbestimmung des einzelnen Menschen definiert. Folglich kann es jene Menschen geben, deren Würde darin besteht, bis zum letzten Atemzug im Leben auszuharren, und jene, die sich aufrecht und bei klarem Verstand verabschieden wollen. Die Würde des Menschen hoch zu halten, heißt, dem Willen beider Auffassungen, sprich der menschlichen Selbstbestimmung, Respekt zu zollen. In der Frage um die Würde des Menschen am Ende seines Lebens hat sich glücklicherweise die Vernunft durchgesetzt: das Gesetz über die aktive Sterbehilfe konnte zum 16. März 2009 in Kraft treten.

Trotzdem bleibt viel zu tun! Mit den Fragen nach der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Menschen, des Schwangerschaftsabbruchs, Frauenrechten im Allgemeinen, u.s.w., bestehen in Luxemburg noch etliche gesellschaftspolitische Großbaustellen. Dass diese nicht konsequent angepackt werden, liegt einerseits am Widerstand der christlich-konservativen Hegemonie, zum anderen an erheblichen strukturellen und programmatischen Defiziten, die das religionskritische Lager bis heute geprägt haben.

AHA Letzebuerg will dazu beitragen, die konservative Vormachtstellung anzufechten und eine konsequente Interessenvertretung für all jene Menschen zu gewährleisten, die gesellschaftlichen Fortschritt wünschen.